Laufstabilität

Wer sich mit Freikolbenmotoren befasst, wird öfters mit der Argumentation konfrontiert, dass diese Motoren angeblich sehr instabil und schwierig zu regeln sein sollen. Sogar in Arbeiten von namhaften Forschungsinstituten wird aur diesen angeblichen Umstand hingewiesen, und dass noch viel Grundlagenforschung betrieben werden müsse, um die Motoren beherrschen zu können.

Jedoch liefen die frühen Freikolbenmotoren (z.B. Junkers, Pescara) absolut stabil ohne aktive Kontrollmechanismen, und ohne jegliche elektronische Geräte. Es ist eine Frage der Konstruktion: Ist der Motor stabil, bzw. balanciert er sich nach einem Lastwechsel aus, oder ist er instabil und gerät ohne externen Eingriff ausser Kontrolle. Wenn es aus dem Ruder läuft, dann ist die Zuhilfenahme aufwendiger, aktiver Regelungstechnik nur die zweitbeste, dafür mit Sicherheit die aufwendigste Massnahme. Es ist wie bei einem falsch ausgelegten Fahrwerk: Man kann natürlich versuchen, mittels aktiver Regelungstechnik die Schwächen auszugleichen bzw. zu überdecken. 

Aber der beste Weg ist, das Design des Motors so auszulegen, dass er sich nach jeder Unterbrechung selbst wieder in den Normalbetrieb justiert. Dies ist zweifellos das Schwierigste an der Auslegung eines Freikolbenmotors, aber lösbar mittels klassischer Ingenieurskunst. Um einen korrekt konstruierten Freikolbenmotor zu betreiben, ist - wie bei einem herkömmlichen Motor - keine aufwendige elektronische Steuerung erforderlich.
Betrachten wir hierbei die Arbeit von Robert Huber, der nachstehend zum Thema Betriebsstabilität zitiert wird. 
Wir befassen uns speziell mit dem Gegenkolbenmotor mit Einwärtsverdichtung. Für die Betriebsstabilität spielt es keine Rolle, auf welche Weise die Kraft entnommen wird. Ebensowenig spielt die Baugrösse eine Rolle, da die Motoren in einem Bereich von ca. 10 bis 1000 KW nach den gleichen Formeln und Gesetzmässigkeiten gebaut wurden.

Robert Hubers Kernaussage:

"Im Laufe der Entwicklung dieser Maschinen mussten viele Probleme gelöst werden. Eines der schwierigsten betraf den absolut gleichmässigen Dauerbetrieb eines Kolbens, der nicht mit einer Baugruppe - bestehend aus Pleuel und Kurbelwelle - verbunden ist.

Auf den ersten Blick mag es scheinen, dass der Wegfall der klassischen Pleuelstange-Kurbelwelle Kopplung zwangsläufig in einen sensiblen Betriebszustand münden würde, und dass kleine Störungen oder Fehleinstellungen dazu führten, dass der Motor unregelmässig zu betreiben wäre oder sogar abgewürgt würde.

Allerdings wurden viele Freikolbenmotoren dieser Art über Jahrzehnte gebaut, welche Tausende von Betriebsstunden liefen ohne einen einzigen Zwischenfall, bedingt durch den Wegfall von Kolbenbolzen, Pleuel und Kurbelwelle."

Die an dieser Stelle untersuchten Freikolbenmotoren wurden an anderer Stelle schon im Detail beschrieben. Deshalb wird im Folgenden nur kurz auf das grundsätzliche Konzept und die Funktion der Motoren eingegangen. Die Massnahmen, welche ergriffen wurden, um einen stabilen Betrieb dieser Motoren zu gewährleisten, werden hingegen im Detail erläutert. Der Aufbau des Motors, wie er nach der Untersuchung verschiedener anderer Typen festgelegt wurde, ist in Abbildung 1 dargestellt.
Schema eines Freikolben- Turbinenantriebs
Schema eines Freikolben- Turbinenantriebs

Der Freikolben-Gaserzeuger A enthält zwei gegenüberliegende Stufenkolben (1) mit identischem und symmetrischem Hub.

Der Motorzylinder (2) ist in der Mitte. Er arbeitet als aufgeladener Zweitakt-Dieselmotor. Die zwei Kompressorzylinder (4) sind an beiden Enden des zentralen Gehäuses angeordnet. Die Endräume (3) bilden die Rückwurfzylinder, welche die Energie für den Rückhub speichern. Die verdichtete Luft wird zum Spülen des Arbeitszylinders verwendet.

Frischluft wird durch die Ventile (5) angesaugt und durch die Ventile (6) in den Spülluftbehälter (S) gepumpt, der den Motorzylinder umgibt. Der Kraftstoff wird durch Düsen (7) eingespritzt, die in der Mitte der Brennkammer angeordnet sind.

Die Abgase aus dem Motorzylinder gelangen, vermischt mit dem Spülluftüberschuss, in den Auspufftopf (B) und von dort in die Gasturbine (C), welche mechanische Leistung nach aussen abgibt.

"Die Aufzeichnung aufeinanderfolgender Kolbenhübe bietet eine sehr zuverlässige Methode zur Analyse und Untersuchung der Funktionsweise des Motors.

Diese Aufzeichnungen zeigen die Position der inneren und äusseren Totpunkte in Bezug auf die Maschinenmitte sehr genau, wovon der Kompressionsdruck innerhalb des Motorzylinders abgeleitet werden kann, die momentane Belastung, sowie die Regelung der aufeinanderfolgenden Zyklen bzw. Hübe."
​Ein Hubdiagramm mit konstanter Kraftstoffeinspritzung ist in Abb. 6 wiedergegeben. Man beachte die hohe Konstanz der auf dem Diagramm dargestellten Hübe.

Die maximale Abweichung des äusseren Totpunktes in Bezug auf die mittlere Position beträgt max. 1.4 mm. Für diese äussere Totpunktlage ist der effektive Druck in den Rückwurfzylinder gleich 4.5 kg/cm2.

Die Energieschwankung infolge der Unregelmässigkeiten ist 41 kgm, was +/- 1,2% entspricht bei einer indizierten Leistung von 3430 kgm. In der Praxis variiert die Leistung noch weniger, da die Verschiebungen des äusseren Totpunktes nicht allein durch hubweise kleine Unterschiede der Fördermenge hervorgerufen werden, sondern auch durch Variationen der Kompressorarbeit und der Reibungsverluste.

"Hubaufzeichnungen stellen darüber hinaus eine sehr praktische Mittel dar zum Nachvollziehen der Veränderungen durch kurzzeitige Störungen, insbesondere bei der Kraftstoffeinspritzung. Zu Testzwecken wurden solche Störungen simuliert, dies durch die Variation der eingespritzten Kraftstoffmenge für einen Zeitraum von mehreren Zyklen."
Das Hubdiagramm in Abbildung 7 zeigt die Aufzeichnungen, welche unter den genannten Bedingungen durchgeführt wurden.
P bezeichnet die Hubzunahme, während M eine Hubabnahme anzeigt. Die Verschiebung der äusseren Totpunktlage war in beiden Fällen etwa 40 mm. Nach der Beendigung dieser Störung wurde die ursprüngliche Totpunktlage innerhalb von wenigen Hüben wiederhergestellt.

Diese Diagramme zeigen daher, dass es eine sehr ausgeprägte Tendenz seitens des Motors gibt, sich nach jeder Unterbrechung des Normalbetriebs selbst wieder in denselbigen zu justieren. 

Der Grad der Stabilität eines Motors hängt ab von der Anordnung und den Abmessungen der Motor- sowie der Kompressorzylinder.

Die von den Rückwurfzylinder benötigte Zeit, den Druck eine neue äussere Totpunktlage anzupassen, kann ebenfalls aus dem Hubdiagramm gelesen werden.

Wie in Abbildung 11 dargestellt, dauern die kürzeren Hübe über mehrere Zyklen an.

Die Kraftstoffeinspritzung wurde an Punkt A um etwa ein Drittel reduziert. Der innere Totpunkt verschiebt sich nach aussen, aber nach etwa sechs Zyklen ist er wieder auf seiner früheren Position (B), was darauf hinweist, dass die Druckanpassung in den Rückwurfzylinder abgeschlossen ist.

Die benötigte Zeit für diese Anpassung war etwa 0,6 Sekunden.

Eine Verschiebung des inneren Totpunktes um die gleiche, aber entgegengesetzte Grössenordnung  zwischen den Punkten C und D zeigt die Reaktion, wenn die Kraftstoffeinspritzung wieder auf den ursprünglichen Wert erhöht wird.

Die oben auszugsweise zitierte Studie zeigt, dass Freikolbenmotoren mit perfekter Zuverlässigkeit und Gleichmässigkeit betrieben werden können, trotz der fehlenden Kurbelwellen- Zwangssteuerung.

Eine Kollision der beiden Kolben oder der Kolben mit den äusseren Zylinderdeckeln ist (bei korrekter Auslegung) nicht möglich. Selbst bei temporären Störungen durch fehlerhafte Kraftstoffeinspritzung, bei übermässiger Reibung oder bei undichten Ventilen verändert sich der Normalbetrieb nicht.